Mittwoch, 14. Januar 2015

Der teutonische Hassbürger und die deutsche Außenpolitik

Eine polemisch-satirische Streitschrift über PEGIDA und andere Spinner
»Wutbürger« war in den letzten Jahren ein gern benutzter Begriff der bürgerlichen Medien. Ob sich in diesem Jahr der Begriff »Hassbürger« durchsetzen kann, wenn über die rassistischen Massendemonstrationen berichtet wird, scheint nicht sehr wahrscheinlich zu sein – Obwohl, Hassbürger könnte durchaus geeignet sein, die ach so patriotischen und besorgten Demonstranten zu beschreiben. Im Grunde genommen sind sie genau das, wie sie von Hannah Arendt als »das Volk in seiner Karikatur« bezeichnet wurden, nämlich: der Mob (ausgeliehen von Claus Leggewie, taz).

Freilich, der PEGIDAist wird meinen: »Auf so was kommen nur solche vaterlandslosen Gesellen und unpatriotische Kommunisten wie ihr«. Recht hat er. Wie dem auch sei; ob nun Mob, Wut- oder Hassbürger, unabhängig davon, wie man die Teilnehmer (wie gewünscht bleiben wir »Genderfrei«) der Demonstrationen bezeichnet, stellen sich doch einige Fragen – so z.B. nach dem Warum: Warum kann ein Verein, der sich »Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes« schimpft (ein Verein gegen die Verdummung des Abendlandes wäre sicher sinnvoller), jeden Montag über 10.000 Teutonen auf die Straße bringen? Gerade in Dresden, wo man kaum auf Muslime in Horden treffen kann und die eher in heimischen Bildschirmen zu sehen sind? Vielleicht daher, weil inzwischen im jeden sächsischen Haushalt der zweite Mediamarkt-50 Zoll-HD-Fernseher in der Küche steht? Ja, wie blöd ist das denn?
Apropos blöd: Im Spiegel meinte Jakob Augstein, das es falsch sei, die PEGIDA »verstehen« und »erklären« zu wollen, weil die These einer Islamisierung des Abendlandes allen seriösen Studien widerspräche. Deshalb sei jeder, der gegen eine »Islamisierung des Abendlandes« demonstriere, »ein Idiot oder ein Rassist« [sic!]. Nun, Augstein ist kein unkluger Kopf. Mit »Idiot« meint er natürlich nicht einen »gewöhnlichen, einfachen Menschen«, sondern eher abwertend einen »Unverständnis hervorrufenden törichten Menschen« bzw. einen »Dummkopf«.
»Die spinnen, die Teutonen!...«
... würde Obelix sagen, wenn er den PEGIDAisten gegenüberstehen würde. Es gehört nun mal zur Allgemeinbildung: Rassisten sind überall Ar..., ähm Spinner. Aber – das muss man den PEGIDAisten zu Gute halten – mögen sie Idioten, also »gewöhnliche, einfache Menschen« sein, doch Dummköpfe sind sie nicht. Stolzzzz bis zur Decke wissen sie ganz genau, wie alle anderen, die das Glück haben, in privilegierten Regionen der Welt zu leben, dass sie ihre vermeintliche Freiheit (was jetzt der Sicherheit geopfert wird), ihren gefühlten oder tatsächlichen Wohlstand und den Reichtum ihrer Reichen und Schönen, der Armut der übrigen Welt verdanken. Es ist ihnen auch bekannt, dass die kapitalistischen Zentralländer (rund 15 Prozent der Weltbevölkerung) über rund 85 Prozent des weltweit erwirtschafteten Reichtums verfügen, während alle 19 Sekunden ein Kind wegen Krankheit, Krieg oder ökologischen Katastrophen stirbt oder rund 1 Milliarde Menschen hungern und das alles keine Phrasen von kommunistischen Verschwörungstheoretikern sind. Und sie haben recht: die Armen wollen etwas von ihrem Reichtum abbekommen. Teilen will der deutsche Michel aber nicht.
Doch, kommen wir auf den Idioten zurück. Hier stellt sich die Frage, ob die Kategorie des Idioten bzw. eines Rassisten hilfreich ist, die Hintergründe der rassistischen Massendemonstrationen beleuchten zu können. Ein Mensch kann ein Idiot, ein Rassist, Islamhasser oder Antisemit sein. Das erklärt erst mal gar nichts. Darum wäre es sinnvoll, hier den ollen Karl Marx heranzuziehen. Marx sagt nämlich folgendes: »Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt«. Sprich: Bevor man begreifen kann, warum der teutonische Hassbürger so handelt, wie er handelt, gilt es, die Strukturen zu erklären, in denen er handelt.
»Ja, Himmiherrgottsakramentkruzitürken noch’ma« wird wohl der PEGIDAist schimpfen, vielleicht auch »du Saupreiß, türkischer!«. Gönnen wir dem moralisch überlegenen Teutonen sein Recht auf die eigene Meinung und schauen uns die Situation in Deutschland mal an. Guckstdu:
Auf dem ersten Blick scheint die Welt der Teutonen doch sehr in Ordnung zu sein. Der bundesdeutsche Haushalt schreibt schwarze Zahlen, die Wirtschaft wächst und gedeiht, Kaufkraft steigt. Geld gibt’s im Überfluss – na ja, wenigstens für jene, die viel davon haben, aber immerhin. Die Arbeitslosigkeit sinkt, es geht aufwärts. So schreibt Sven Astheimer in der FAZ vom 6. Januar 2015 folgendes: »Heute werden abermals Rekorde geschrieben. 42,6 Millionen Erwerbstätige gab es in diesem Land noch nie zuvor, und die Erwerbslosigkeit nährt sich ihrem Rekordtief. In weiten Teilen Süddeutschlands herrscht Vollbeschäftigung. Die schmerzhaften Einschnitte der vergangenen Jahrzehnte zahlen sich aus: Grundlegende Restrukturierungen und eine zurückhaltende Lohnpolitik« (Dank kämpferischer Gewerkschaften) »brachten deutschen Unternehmen auf den Weltmärkten ihre Wettbewerbsfähigkeit zurück, und die Agenda-Politik flexibilisierte den Arbeitsmarkt für ein globalisiertes Umfeld. Deutschland steht nun auch wirtschaftlich wieder im Zentrum des Kontinents.«
Da schau her! »Wir sind wieder wer« - das Tosen des inneren Reichsparteitages ist kaum zu überhören. Jetzt kann der »sparpolitische Zuchtmeister« Europas und die »wiedererwachte Großmacht« (Max Lill, rosalux.de) kraftvoller denn je seines Amtes walten: in seinem Binnenmarkt, der EU, die Mitgliedsländer (und die es werden wollen) züchtigend, die EU unter teutonischer Kontrolle zu einem echten militaristischen Imperium formen. Aber, wie kommt es, dass in einem solch reichen Land, dem es so gut geht, gerade jene kleinbürgerlichen Gutverdiener zu Hassbürger werden?
Eine mögliche Antwort dazu liefert Horst Kahrs von der Rosa-Luxemburg-Stiftung. In seiner Analyse »Zerfall des Mythos von der ›Mitte‹ - Ausbreitung einer ›sozialen Nationalismus‹« stellt Kahrs folgendes über die »soziale und lebensweltliche Herkunft« der AfD-Wähler, die ja zahlreich in Dresden und anderswo vertreten sind, fest: »Sie verteilen sich mittlerweile über alle Altersgruppen mit einem Schwerpunkt bei den mittleren, berufstätigen Jahrgängen. Angehörige von Haushalten mit einem höheren Einkommen neigen ebenso überdurchschnittlich zur AfD wie Besitzer von Wohneigentum, Freiberufler, Selbstständige und Beamte, Männer stärker als Frauen. Arbeitslose und Personen mit niedrigen Einkommen sind unterdurchschnittlich vertreten. In den (Sinus-) Milieus bzw. Lebenswelten der ›bürgerlichen Mitte‹, der ›konservativ Etablierten‹ und der ›Traditionellen‹ besitzt die AfD ihre Hochburgen«.
Hä??(Nordhessisch für Nixverstehn) Milljöh, konservativ etabliert, Traditionelle?? Na ja, früher war’s ja auch einfacher: das Proletariat, die Bauern, die Bourgeoisie und nicht zu vergessen, die Pfaffen... Die klassische Klassengesellschaft eben. Heute ist es halt komplizierter: Bio-Deutsche, Ober-Oberschicht, Oberschicht, Unter-Oberschicht, obere und untere Mittelschichten, die Prekären, Unterschichten, Ausweis-Deutsche, innovative-qualifizierte Zugewanderte, integrationsfähige Bevölkerungsteile mit Migrationshintergrund, Integrationsunwillige, sozialschmarotzende Wirtschaftsflüchtlinge, anerkannte Asylanten, Geduldete, Abschüblinge usw. usf.
Für den PEGIDAisten ist die Welt einfacher zu erklären: Toitsch, katholisch, evangelisch, ausländisch, Asylant, Kanacke und Islamist! So einfach können wir es leider nicht machen, daher zurück auf Kahrs Feststellung: Also, es steht fest, dass die AfD und die PEGIDAisten keine Prolos brauchen – vielleicht als Ordner und Pöbel. Irgendjemand muss ja richtig Grölen können, nicht wa? Und was bleibt übrig? Der Ottonormalbürger, Beschützer unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur, von der Lügenpresse diffamierter und von denen da oben verratener Patriot, eben das Volk in seinem Norm: Weiß, deutsch, christlich oder jüdisch nach Gusto, männlich, gesund, leistungsorientiert und patriotisch wie kein anderer! Auweia, stellt euch doch das mal vor: zehntausende Thilo Sarrazins oder noch schlimmer, Henryk Broders... Izmir übel Leute. Aber, lassen wir doch die Kirche im Dorf: in Dresden und anderswo gehen ganz normale Menschen, die durchschnittlich gut verdienen, Jobs haben, ´ne warme Stube, halt etwas Konservativ sind oder wie wir Commies früher sagten, Kleinbürger auf die Straße. Warum zum Teufel aber werden aus den ängstlichen Kleinbürgern solche Hassbürger wie die PEGIDAisten eigentlich? Und wovor haben sie überhaupt Angst?
Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?
Angesichts der Bilder von Enthauptungen, Massenerschießungen und, erst kürzlich, des feigen »Charlie-Hebdo-Attentats« in Paris kann der mitteleuropäische Kleinbürger nichts anderes als Angst haben. Der Autor dieser Zeilen, der selbst aus einem islamischen Kulturkreis entstammt, kann das sehr gut nachvollziehen. Denn auch er bekommt Angst. – Haben Sie die Kerle gesehen, schwarz gekleidet (ist zwar modisch, passt aber irgendwie nicht), in der einen Hand die Machete, in der anderen der Kopf eines Enthaupteten? Die sind doch hässlich, oder? Die langen, dreckig aussehenden Bärte sind irgendwie unästhetisch. Da kann man schon Angst bekommen, völlig verständlich.
Für die Teutonen ist das dann besonders problematisch – sie werden ja seit Jahrzenten von allen Seiten beschallt mit Aussagen, wie: »Das Bott ist voll!«, »Zu viele Ausländer in Deutschland« oder »Der Islam gehört nicht zu uns«. Ganz regierungsamtlich und offiziell. Dann die Fernsehbilder, und erst die Zeitungen... So kommt was kommen muss: Der PEGIDAist sieht überall schwarzafrikanische Drogenverkäufer oder kriminelle Anatolier; tausende Moscheen, wo gewaltbereite salafistische Schläfer hausen; Millionen Männer ohne Vorhaut; Kopftuchtragende Gebärmaschinen; unser Asylrecht missbrauchende Terroristen; hunderttausende kleine Öcalans, nicht zu vergessen, sozialschmarotzende Wirtschaftsflüchtlinge, die unsere Kassen plündern und Billionen solcher, die danach trachten, Toitschland zu übernehmen. Eine durchrasste und durchmischte Gesellschaft, in der Toitsche nichts zu sagen haben, aber Ausländer Sonderrechte genießen – die kriegen ja alle Doppelpässe, wir nur einen! Deutschland ist zu einem Land verkommen, der die ganze Welt ernähren soll, während die eigenen Bürger bluten. Nicht mal die alte, gute, bewährte D-Mark hat man uns gelassen. Wie soll man sich nicht wie ein Fremder im eigenen Lande fühlen, wie? Dann die Politiker. Verbrecherbande! Alle korrupt. Volksverräter sind sie, Jawoll, verraten haben sie das eigne Volk. Auf die Lügenpresse fallen wir auch nicht mehr rein. Wenn das Volk endlich was zu sagen hätte, dann würde aber richtig aufgeräumt werden mit dem Abschaum. Aber hallo! Jetzt aber erwacht endlich Deutschland! Wir sind das Volk. Deutsche Interessen zuerst, Jawoll! Ja, ja die nationale Empörung wächst. Es zieht ein Sturm auf, der Deutschland von all dem Pack, den blutsaugenden Parasiten und Schmarotzern säubern wird...
Owei, owei, owei. Ist das nicht krass? Also, es ist überhaupt nicht zu empfehlen, durch die Augen eines besorgten PEGIDAisten zu schauen. Halten Sie bitte die Kinder fern. Und Obacht! Kotzgefahr! Einfach nur schrecklich. Wenn Sie dennoch die PEGIDA »verstehen« wollen, halten Sie bitte Ihre Kotztüte griffbereit.
Nun, die PEGIDAisten können nix dafür. Sie haben ja Jahrzehnte lang nichts anderes gesehen oder gehört. Zuerst kam der Spagettifresser. Dann der Jugo. Der Türke und der Araber etwas später. Das waren unsere Gastarbeiter. Je länger ihr Besuch dauerte, desto mehr vermehrten die sich. Unsre Kindergeldkasse bezahlte ja dafür. Deshalb hat der Staat Maßnahmen getroffen und neue Gesetze erlassen. Wer keinen Asylgrund nachweisen kann, muss zurück und wenn ein Arbeitsplatz frei wird, dass muss dieser Arbeitsplatz zuerst einem Deutschen angeboten werden. So ist das Gesetz und das ist keine Ausländerfeindlichkeit. Mir sin doch keene Nazis! Also so was! Wir wolln, dass man sich an Recht und Ordnung hält. Jawoll...
Würg! Das ist ja voll ansteckend. Einmal durch die Augen eines PEGIDAisten geschaut, schon hat man einen bleibenden Schaden. Fangen wir nochmal an: Also, die PEGIDAisten können nichts dafür, dass sie so ängstlich sind und sich bedroht fühlen. Die Mehrheitsgesellschaft in Deutschland hat in den letzten 50 bis 60 Jahren von den Medien, dem Staat, den Regierenden immer wieder folgendes eingetrichtert bekommen: »Deutschland ist kein Einwanderungsland«, Punkt, Schluss, aus! Dekrete, Verordnungen, Gesetze, deren Ausführungsbestimmungen usw. machten das immer deutlich. Institutionalisierte Diskriminierung- und Ausgrenzungsmechanismen, rassistische Gesetzgebung, Kosten-Nutzen-Demagogie, Ethnisierung des Arbeitsmarktes, Sündenbock-Politik, Kriminalisierung von Migrant_*innen, Stigmatisierung als »Unintegrierbare« sowie Diffamierung des Islams als gewalttätige Ideologie führte u. a. dazu, dass in der Mehrheitsgesellschaft xenophobe, islamfeindliche und rassistische Ressentiments sich tief in der sog. gesellschaftlichen Mitte verankerten.
Wohlstandschauvinisten aller Bundesländer, verp...t euch!
Genau hier, in der sog. gesellschaftlichen Mitte, findet der Rechtspopulismus seinen wohlbereiteten Nährboden. Das typische Verhalten des Kleinbürgers, sich nach oben zu buckeln und nach unten zu treten kann genau hier beobachtet werden. Bei jedem sozialen Einschnitt, sogar bei jeder Annahme, es könnte zu einem Einschnitt kommen, richten sich die zornigen Blicke nach unten, zu den Schwächeren. Schuld sind immer andere. Meistens die Minderheiten, »die da oben«, die »Lügenpresse« oder die EU. Der hasserfüllte Angstbürger hat darauf nur eine Antwort: Njet! Nein, wolln wir nicht!
Bei näherer Betrachtung dieser teutonischen Haltung jedoch, wird ein anderer Angst-Aspekt deutlich: Die Angst vor der realen Gefahr in die Unterschicht zu fallen und dort zu verharren. Für die, durch die Erosion sozialstaatlicher Errungenschaften traumatisierten Kleinbürger ist diese Unsicherheit unerträglich. Wenn schon heute die Kapitallebensversicherung nichts mehr abwirft, was wird morgen sein? Owei, owei!
Hierzu schreibt Horst Kahrs in seinem vorher genannten Artikel ein paar interessante Fakten, so dass jetzt ein längeres Zitat notwendig wird: »In der Anti-Euro-Mobilisierung des Bundeswahlkampfes stand die Verteidigung des durch erfolgreichen Wettbewerb erworbenen Wohlstandes im Mittelpunkt. Die Euro-Krisenpolitik wurde als Gefährdung der deutschen Wettbewerbsposition beschrieben, vor allem aber als Wohlstandsgefahr, die von einer ›weichen‹ Währung ausgehe. Die AfD bezog damit eine ökonomisch marktradikal und politisch neoliberal bemäntelte Klassenposition: die Verteidigung der Zinsen aus Sparguthaben und Versicherungen gegen die Niedrigzinspolitik der EZB. ›Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat in der Tat zu einer kräftigen Umverteilung innerhalb des Euroraums geführt. Wie aus dem jüngsten Weltvermögensbericht der Allianz hervorgeht, hat die Niedrigzinspolitik die Privathaushalte in Deutschland seit dem Jahr 2010 etwa 23 Milliarden Euro gekostet. Die Spanier wurden hingegen mit 54 Milliarden Euro entlastet, die Italiener um 39 Milliarden Euro, die Franzosen um 19 Milliarden Euro, die Portugiesen um 16 Milliarden Euro und die Griechen um 13 Milliarden Euro‹ (FAZ, 222, 24.09.2014, S.23)«. Ha! Da haben wir’s! Wir zahlen und alle anderen kassieren...
Nu mal langsam, lesen wir bei Kahrs weiter. Kahrs zitiert zuerst den TV-bekannten Direktor des ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, aus der FAZ vom 5.12.2014 wie folgt: »Die Sparer verlieren sehr viel Geld. Deutschland ist absolut gesehen der größte Kapitalexporteur der Welt und, nach China, das Land mit dem größten Netto-Auslandsvermögen. Wir sind Gläubiger der Welt und verlieren durch die niedrigen Zinsen. Es gibt zwar Sektoren in Deutschland wie der Staat, die profitieren. Aber per Saldo sind wir Nettogläubiger und haben durch die Niedrigzinsen einen großen Verlust. Nach meiner Berechnung sind den Deutschen seit 2008 etwa 300 Milliarden Euro entgangen im Vergleich zu den Zinsen, die Ende 2007, vor Ausbruch der Krise, zu erzielen waren. Pro Jahr beträgt der Verlust jetzt 60 bis 79 Milliarden Euro«. Boah ey, stellt euch vor, da sind an Zinsen und Zinseszinsen etwa 300 Milliarden Euro entgangen! Das ist ´ne Menge Kies und wenn jetzt die Barrikaden nicht brennen, da haben wir aber richtig Glück gehabt.
Aber machen wir mit Kahrs weiter: »Der Wohlstandschauvinismus der AfD findet hier einen realen Bezug zur ökonomischen Wahrnehmung vieler ›Sparer‹ aus der (oberen) Mittelschicht, hier gerade auch von Freiberuflern, Selbstständigen und Familienunternehmern, derjenigen, die auf vermeintlich risikolose Anlagen für die ›Vorsorge‹ statt auf spekulativere Aktienanlagen für den schnellen Gewinn setzen. Der Standpunkt des risikoarmen Geldanlegers ist vielen kleinen ›Sparern‹ vertraut. Er verbindet sich mit hartnäckigem Insistieren auf Durchsetzung bestimmter ökonomischer Ordnungsprinzipien (Verursacherprinzip, Verschuldungsgrenzen u. a. m.) in der EU. Der sinkende Garantiezins auf Lebensversicherungen hat hohen politischen Symbolwert: Die aktuelle Politik von EZB und EU bestraft, so erscheint es, verantwortungsbewusste private Vorsorge. ›Riestern‹ erwies sich als wenig nützliche Strategie der Altersvorsorge. Die Bundesregierung, so die Schlussfolgerung, weicht die Stabilitäts-Kriterien auf und setzt deutsche Interessen in Brüssel nicht durch«.
Ist doch `n alter Schinken, dieser Film!
Im Grunde genommen sind doch diese Feststellungen längst bekannt. Oder? Der Wohlstandschauvinismus, die Kritik am sog. Multikulturalismus, der Vorwurf, Migrant_*innen (besonders Muslimische) seien »Integrationsunfähig« und würden »die innere Sicherheit gefährden«, die Kritik an der EU und der Vorwurf, »Deutschland ist Zahlmeister Europas«, Politikverdrossenheit und Vertrauensverlust, also der Vorwurf, »die korrupten Eliten vertreten Volkes Interessen nicht mehr«, die Ablehnung des Islams und das Mär vom »christlich-jüdischen Abendland« - all das hören wir doch seit Jahrzehnten von der Politik, den Medien und natürlich jedes Mal von den Rechtspopulisten. Inzwischen gehört es zum Mainstream, gesellschaftliche Verhältnisse nur nach Kosten-Nutzen-Erwägungen zu beurteilen, zwischen »rentablen« und »unrentablen« Menschen zu »differenzieren« und einfach die »Unrentablen« zur Ausschlusspopulation zu erklären. Dieser Film, der uns z.Zt. serviert wird, ist ein alter Schinken. Ein Ergebnis des neoliberalen Projektes, wie es bildungssprachlich genannt wird. Hier scheint ein kurzer Rückblick sinnvoll zu sein:
Die systematischen Angriffe für einen Paradigmenwechsel und die Werterestauration begann mit der »geistig-moralischen Wende« der Kohl-Regierung. Die »Schicksalsgemeinschaft deutsche Nation« wurde mit den Werten des Fleißes, Ordnung, Familie, Produktivität und der »Tugend des Verzichtes« in Verbindung gebracht. In diesem Zusammenhang spricht die Sozialwissenschaftlerin Katrin Reimer von drei Perioden des neoliberalen Projektes, die für die Verankerung rechtspopulistischer Positionen in der Mehrheitsgesellschaft die Rahmenbedingungen geschaffen haben. Diese unterscheiden sich in Bezug auf Hegemonieverhältnisse.
Reimer zählt folgendes auf: Phase 1: Kohl-Thatcher-Reagan-Ära. Das politische Ziel in dieser Ära war die Schwächung der kollektiven Rechte und das Aufbrechen der Kräfteverhältnisse. Während in Deutschland die Kohl-Regierung diese Aufgabe übernahm, waren europaweit rechtspopulistische Parteien dabei, den Paradigmenwechsel mit dem Druck von rechts herbeizuführen. Die Prekarisierung der Lohnarbeit nahm zu. Gleichzeitig wurde in Deutschland die fremdenfeindliche Stimmung geschürt. Neonaziangriffe, Morde wie in Solingen, Mölln und Hünxe, der sog. »Asylkompromiss« und Aufwind für rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien waren die Folge. Nach dem sog. »Asylkompromiss« endeten die rassistischen Übergriffe abrupt.
Phase 2: Sozialdemokratische Ära. Obwohl die SPD im Wahlkampf 1998 ihren Schwerpunkt auf die soziale Gerechtigkeit gesetzt hatte, änderte Rot-Grün innerhalb weniger Monate ihre Politik. Die Verallgemeinerung des Neoliberalismus genoss eine hohe Zustimmung. Dennoch gab es Kämpfe im neoliberalen Block. 1999 konzentrierten sich diese Kämpfe um die doppelte Staatsangehörigkeit. Die Unterschriftenkampagne der hessischen CDU bekam bundesweit eine  hohe Zustimmung. 1999 war das Jahr, in der einer der wichtigsten Tabubrüche der Bundesrepublik, nämlich der erstmalige Auslandseinsatz der Bundeswehr beschlossen wurde (der völkerrechtswidrige Jugoslawien-Krieg). In dieser Phase begann auch der Lissabon-Prozess der EU, die Militarisierung der Außenpolitik und der neoliberale Umbau wurde europaweit beschleunigt. Mit dem »Krieg gegen den Terror« nach den Angriffen am 11. September 2001 verfestigte sich der »Kampf der Kulturen« in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und der Islam wurde zu einer Bedrohung für die »westliche Lebensweise« hochstilisiert. Was zuerst an den Schwächsten der Gesellschaft, nämlich den Asylsuchenden und Flüchtlingen praktiziert wurde (Kürzung der Sozialhilfe, Sanktionen, Sachhilfen, »Fördern und Fordern« usw.), wurde auf die gesamte Gesellschaft ausgeweitet. Hartz-Gesetze wurden umgesetzt.
Phase 3: Diese Phase dauert noch an. Prekarisierungsfolgen sind für viele Menschen sehr negativ. Die sozialen Ungleichheiten verstetigen sich. Wer arm geboren wird, stirbt als Armer. Der Arbeitsmarkt ist weitgehend flexibilisiert, die Arbeits- und Lebensbedingungen verschlechtern sich. Auch wenn die bürgerlichen Kräfte die »zurückhaltende Lohnpolitik«, »schmerzhaften Einschnitte« und die »Vollbeschäftigung in Süddeutschland« als Erfolge feiern, so müssen immer noch rund 1,4 Millionen »Vollbeschäftigte« trotz Vollzeit ihr Einkommen durch staatliche Beihilfen aufstocken. Jeder sechste Mensch, also rund 13 Millionen Menschen gelten als Arm. 2,4 Millionen Kinder sind akut von der Armut betroffen – in einem reichsten Land der Erde! Große Teile der Bevölkerung leben mit der Angst, in die Unterschichten zu fallen. Globale Krisen und deren Unsicherheiten führen zu weiteren Ängsten. Die Leistung und Einsatz eines jeden Einzelnen für den Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen wird als gegeben hingenommen. So verkommt die Mehrheitsgesellschaft zu einer Angstgesellschaft und wird immer mehr anfällig für diverse Bedrohungsszenarien, die von den neoliberalen Kräften genüsslich gefördert werden.
... und? Was hat das alles mit der deutschen Außenpolitik zu tun?
Der neoliberale Umbau der letzten 30 Jahre hat in der Mehrheitsgesellschaft der Bundesrepublik tiefe Spuren hinterlassen. Heute wird von der Mehrheit nicht nur die »Allgemeingültigkeit« der Kosten-Nutzen-Logik, die Leistungsvoraussetzung für den Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen und die individuelle Verantwortung eines Einzelnen für dessen Erwerbslosigkeit weitgehend akzeptiert, sondern auch die Tatsache, dass Migrant_*innen und besonders Muslime pauschal unter Kollektivverdacht gestellt und ihre Rechte und Freiheiten durch staatliche Maßnahmen eingeschränkt werden. Die Aushöhlung bzw. Relativierung von Grundrechten von Migrant_*innen, denen vorgeworfen wird, antiwestliche Kräfte zu unterstützen, wird von der Mehrheitsgesellschaft als notwendige Maßnahme für die innere Sicherheit angesehen. Der rassistische Hass wiederum, der heute erstmals nicht nur von Nazis oder Rechtsradikalen, sondern wie in Dresden von einer großen Anzahl von bisher nicht aktiven »Bürgern« auf der Straße offen artikuliert wird, wird zu einem wirksam inszenierten Argument für eine zunehmend autoritärer gestaltete Migrationsregime.
Hier schließt sich der Kreis: bei den rassistischen Massendemonstrationen zeigt sich nicht nur die Angst der sog. Mittelschichten ins Prekariat abzustürzen, sondern auch die Angst der westlichen, ach so zivilisierten Welt vor dem Verlust der Hegemonie gegenüber dem Rest der Welt. In diesem Zusammenhang werden völkerrechtswidrige Kriege, Besatzungen und Interventionen der NATO-Staaten als Mittel der Politik akzeptiert. Systematische Außerkraftsetzung von Menschenrechten wie in den Folterlagern von Guantanamo und anderswo wird als »notwendiges Übel« hingenommen – genau wie die Tatsache, dass zivilisatorische Normen außerhalb des Westens keine Gültigkeit mehr haben.
Ohne Frage: Neoliberalismus und rechtspopulistische, rassistische Grundhaltungen in der Mehrheitsbevölkerung sind jeweils die eine Seite derselben Medaille. Der Rechtspopulismus hat sich zu einem Herrschaftsinstrument entwickelt, mit der nicht nur die Widerstandspotentiale in der Bevölkerung gebrochen werden, sondern gleichzeitig die Akzeptanz der herrschenden Macht- und Eigentumsverhältnisse als Gottgegeben verfestigt und imperialistische Interventionskriege als Notwendigkeit für den Erhalt der Freiheiten, der bürgerlichen Demokratie und des Wohlstandes der westlichen Welt gesehen werden. Die Anfälligkeit der Mehrheitsgesellschaft für die Propaganda des sog. »Krieges gegen den Terror« bzw. der »Kriege für die Sicherstellung der Menschen-, Frauenrechte und Demokratie«; die Verankerung von Rassismus und Wohlstandschauvinismus im Zentrum der Mehrheitsgesellschaft sowie der Erfolg von Thilo Sarrazin u. a. Rechtspopulisten sind Ergebnisse dieses Entwicklungsweges.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass sich die rassistischen Massendemonstrationen just zu dem Zeitpunkt durchgeführt werden, wo die herrschende Politik mit aller Macht in der Außen- und Sicherheitspolitik Tabubrüche durchzusetzen versucht. Die »Neue Verantwortung« des »wieder im Zentrum des Kontinents« stehenden Deutschlands wird uns von höchsten Stellen ständig eingetrichtert. Während sich der Bundespräsident wie ein Militärpfaffe aus Zeiten der Kreuzzüge verhält, der stramm so-zi-al-de-mok-ra-ti-sche Außenminister eifrig Pflugscharen zu Schwertern schmiedet, die allzeit zum Handeln bereite Verteidigungsministerin sich rührend um die Kinderbetreuung für die Träger des »Tucholsky-Ordens« (unser besonderer Gruß gilt Oberst Klein aus Kunduz!) kümmert und dabei den Applaus der olivgrünen Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag bekommt, bearbeiten die bürgerlichen Medien fleißig die Heimatfront. Inzwischen muss kein Bundespräsident mehr zurücktreten, nur weil er die Wahrheit ausspricht.
Da das Erinnerungsvermögen der bürgerlichen Gesellschaft meist zu wünschen übrig lässt, wollen wir die Aussage des Ex-Bundespräsidenten Horst Köhler, vom 22. Mai 2010 im Deutschlandradio ins Gedächtnis rufen: »Meine Einschätzung ist aber, dass insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, z.B. freie Handelswege, z.B. ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles soll diskutiert werden und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg«.
Doch der Herr Köhler war auf dem Holzweg, in dem er glaubte, das Weißbuch für die Bundeswehr einfach so zitieren zu dürfen. Die Gesellschaft war damals noch nicht reif geschossen worden, also wurde er abgeschossen. Pech gehabt. Aber heute ist es anders. Heute redet jeder, der was von sich hält davon, dass »die Sicherheit und wirtschaftliche Interessen Deutschlands am Hindukusch verteidigt« werden müsse.
Aber das reicht nicht aus, um für die Militarisierung der Außenpolitik, Teilnahme an Interventionskriegen und imperialistischen Sehnsüchten des deutschen Kapitals die notwendige bürgerschaftliche Legitimation zu holen. Auslandseinsätze werden weiterhin kritisch beäugt und sogar die rechtspopulistische AfD lehnt diese ab.  Na ja, die AfD ist ja nicht grundsätzlich dagegen – laut ihrem Programm befürwortet die AfD keine Auslandseinsätze, »es sei denn, es besteht daran ein begründetes nationales deutsches Interesse«. Schau Horst, da passt kein Blatt zwischen euch: freie Handelswege, Sicherung des Zugangs zu Ressourcen und Weltmärkten, Energiesicherheit – das alles sind doch nationale toitsche Interessen, die zu wahren sind, »selbst wenn andere daran zugrunde gehen«, oder? Auch in der grundsätzlichen Orientierung Deutschlands kann man keine Unterschiede feststellen: Für die AfD »ist und bleibt die Nato die Klammer einer transatlantischen Sicherheitsarchitektur, deren entscheidender Anker das Bündnis mit den USA ist«.
Große Unterschiede zwischen dem neoliberalen Block aus CDU/CSU, SPD, Grüne sowie AfD und der neuen »Wir-sind-das-richtige-Volk-Bewegung« PEGIDA kann auch nicht festgestellt werden. So ist z.B. im Positionspapier der PEGIDA zu lesen, dass sie »gegen Waffenlieferungen an verfassungsfeindliche, verbotene Organisationen wie z.B. PKK« sind, aber wer denkt, dass die PEGIDA auch gegen die Rüstungsexporte, so z.B. an die wahhabitischen Despoten in Saudi Arabien wäre, der irrt sich. Dabei sind doch gerade die Herrscher und reiche Familien in Saudi Arabien dafür verantwortlich, dass weltweit salafistische Propaganda betrieben wird. So unschuldig an dem sog. »Islamischen Staat« sind sie auch nicht.  Aber was bedeutet das schon, wenn in Saudi Arabien jeden Tag Todesstrafen durch Enthauptung vollzogen oder Hände abgehackt werden und Menschenrechte nicht existent sind. Einem guten Kunden drückt man schon ein Auge zu. Hauptsache der Euro rollt und die heiligen Arbeitsplätze sind gesichert. Die Bundesregierung setzt genau dies um: Die 45 Milliarden Barrel Erdölreserven im Nordirak im Sinne, werden dem kurdischen Fürsten Mesud Barzani Waffen geliefert, aber die PKK, die wirksam gegen das Terrorkalifat kämpft bleibt hierzulande weiterhin verboten. Die Saudis erhalten Panzer zur Aufstandsbekämpfung, aber Frau Merkel kritisiert nicht mal das Frauenfahrtverbot in Saudi Arabien, die mit Peitschenschlägen bestraft wird.
Und die Moral der Geschichte?
Die wahlpolitischen Erfolge der AfD und der rechte Druck der Straße ist den Herrschenden ein willkommener Anlass dafür zu sorgen, dass die neoliberale Agenda und Militarisierung der Außenpolitik durch gesellschaftliche Legitimation eine neue Dynamik erhält. Frei nach Brecht: Noch brauchen sich die Herrschenden kein neues Volk zu wählen. Noch ist das »Volk« egoistisch genug, um das Auseinanderdriften gesellschaftlicher Gruppen selber zu organisieren. Eingelullt vom Doppelmoral und der Heuchelei der Herrschenden lässt sich das »Volk« treiben – zum Hass auf andere, zur »sozialen Nationalismus«, zum totalen Krieg gegen den Terror.
Längst ist die Kulturalisierung und Ethnisierung der sozialen Frage Allmächtig (Richard Gebhardt) geworden. Herrschende wie Beherrschte differenzieren sogar die Opfer. Während die feigen Attentate in Paris von der Herrschenden für Aushöhlungsversuche der Demokratie und von den PEDIGAisten für ihre »Sache« instrumentalisiert werden, waren die rund 2.000 Frauen, Männer und Kinder, die in Nigeria einige Stunden nach den Pariser Attentaten von der islamistischen Terrorgruppe niedergemetzelt wurden, gerade mal nur eine Randnotiz in den bürgerlichen Medien und der gesellschaftlicher Wahrnehmung im Westen. Dabei gab es zwischen den Pariser Terroristen und ihren Gesinnungsgenossen von Boko Haram keine ideologischen Unterschiede. Und heute redet niemand mehr davon.
Es redet auch keiner davon, dass der Terror in vielen Teilen der Welt zum Alltag der Menschen geworden ist. Noch im Dezember 2014 hatten die Schlächter von Al-Schabab in Kenia 36 Bergbauarbeitet exekutiert und die Taliban-Schergen im nordpakistanischen Peschavar 148 Menschen getötet. Von der Schreckensherrschaft des Terrorkalifats in Syrien und Irak ganz zu schweigen. Es wird auch zu gerne vergessen, wie der islamistische Terror überhaupt entstanden ist und welche Verantwortung gerade jene Länder dafür tragen, die völkerrechtswidrige Kriege und Besatzungen durchführen, Foltern und mit Drohnenangriffen Zivilisten töten, Despoten und Warlords unterstützen, mit ihren internationalen Finanzinstitutionen Länder unter ihre Diktate zwingen und die weltweite Plünderung von Rohstoff- und Energiereserven durch transnationale Konzerne fördern. An Brecht sei wieder erinnert: »Reicher Mann und armer Mann standen da und sahn sich an. Und der Arme sagte bleich: ›Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich‹.«
Was nützen da Appelle an Menschlichkeit und Solidarität mit den Flüchtlingen, wenn der Mob genau weiß, dass es um seine Interessen geht? Was nützen Zahlen und Statistiken, dass die wahre Zahl der Muslime doch nicht so hoch sei, wenn die rassistische Gesetzgebung und die institutionellen Diskriminierungsmechanismen weiterhin gültig sind? Was nützen Dialogaufrufe linker Politiker, dass man »die besorgten Bürger mit den Rattenfängern nicht alleine lassen« dürfe, wenn gerade diese besorgten Bürger mit aller Macht ihren Wohlstand, ihre privilegierte Stellung und ihre Zinsen verteidigen wollen? Was nützen Gegenstrategien um Nazis zu bekämpfen, wenn der Rassismus nicht nur am Rande, sondern im Zentrum der Mehrheitsgesellschaft verankert ist?
Die gesellschaftliche Spaltung in Deutschland vollzieht sich im rasanten Tempo. Gesellschaftliche wie politische Linke können dagegen nur dann wirkungsvoll entgegen treten, wenn sie die Macht- und Eigentumsfrage stellen. Wer von Rassismus und Faschismus redet, darf eben von Kapitalismus und Imperialismus nicht schweigen (frei nach Max Horkheimer). Alles andere wäre nur das Reden um den heißen Brei herum.
Lang ist es geworden. Enden sollte aber eine solche Streitschrift nicht, ohne ein Patentrezept zur Problemlösung zu bieten. Also, gebt acht!
Auf den PEGIDA-Demonstrationen ist immer wieder davon die Rede, dass bald ein »Bevölkerungswechsel« in Deutschland stattfinden werde und dann die Deutschen nur noch eine Minderheit seien. Mancherorts wären zweidrittel der Neugeborenen Kinder von Ausländern. Gepaart mit den demographischen Schreckensmeldungen (Dank der Versicherungswirtschaft), dass sich die Zahl der Bio-Deutschen bald halbieren wird, sorgen diese Aussagen für Panikattacken. Aber keine Sorge. Es gibt eine Lösung! Schon im März 1999, hatte der Nürnberger Ausweis-Deutsche, Tuncay Kulaoğlu in einem Artikel im GDF-Aktuell zum Thema Doppelpass die Lösung preisgegeben. Siehe hier:
»Die Endlösung der Deutschenfrage... wird biologischer Natur sein. Den Tipp dazu entnehmen wir dem seriösen Berliner Blatt ›BZ‹. Bereits vor einem halben Jahr haben die Schreiberlinge des investigativen Journalismus die Gegenstrategie zum Doppelburger aufgezeigt. Die Lösung heiß: Viagra! Jawohl, Viagra. Die Lösung ist einfach und genial zugleich. Mann schlucke die blauen Tabletten und ab geht die Vermehrung der völkischen Nachkommen. Ohne Risiken und Nebenwirkungen. Nicht umsonst hieß es vor einem halben Jahr auf der Titelseite der Zeitung: ›Da staunt der Türke. Endlich geht es wieder: Danke Viagra, wieder mehr Berliner in Berlin!‹ Also, was in Berlin geht, müsste eigentlich in allen deutschen Landen funktionieren. Und so könnte der deutsche Babystofferzeuger diesem karnickelhaften anatolischen Vermehrungswahn einen endgültigen Riegel vorschieben. Es wurde auch Zeit! [...] Jetzt brauchen sie nur noch diese medizinische Wunderwaffe einzusetzen. Dann können noch so viele Doppelburger kommen. Der Bestand des Reinheitsgebots deutschen Blutes wäre auf tausend Jahre gesichert. Irgendwann muss es ja klappen.«

Also, liebe PEGIDAisten, anstatt rummähren in die Apotheke mit euch und los geht’s! Hört auf Kulaoğlu: »Es kann nicht schaden. Die Endlösung der Deutschenfrage könnte dann mit viel Lust und auf friedlichem Wege biologisch herbeigeführt werden«. Was wollt ihr denn mehr, die ganze Welt?