Freitag, 18. November 2016

Die faschistoide Vorfeldorganisation

Von Nick Brauns / Murat Çakır
Über die Gülen-Bewegung und ihre Verstrickung in den gescheiterten Putschversuch in der Türkei
In den bürgerlichen Medien der BRD, dem sog. »deutschen Qualitätsjournalismus« finden sich seit einigen Jahren kritische Berichte über das weltweite Netzwerk der Gülen-Bewegung [1]. Aber gerade nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei vom 15. Juli 2016 kam die Bewegung stärker in den Focus der Berichterstattung. Seit der Niederschlagung der Putschisten erhebt die türkische Regierung schwere Vorwürfe gegen die Gülen-Bewegung und fordert von den USA nachdrücklich die Auslieferung ihres Staatsfeindes Nr. 1, des Predigers Fetullah Gülen. Auch von der Bundesregierung erwartet die Türkei die strafrechtliche Verfolgung von Gülen-Leuten und das Verbot deren Organisationen in der BRD. Doch die Bundesregierung verhält sich in dieser Frage auffallend zurückhaltend und moniert stattdessen die scheinbar seit langem geplante »Hexenjagd« des AKP-Regimes.

Donnerstag, 1. September 2016

»Noble Einsamkeit« und strategische Prioritäten

Über die vermeintlichen Verwerfungen in den deutsch-türkischen Beziehungen
Nachdem der Putschversuch die Machtverhältnisse in der Türkei durcheinander gewirbelt hat, versucht Erdoğan, mit Unterstützung der bürgerlichen Opposition im Inland die strategischen Partnerschaften zu erneuern. Die Rechnung könnte durchaus aufgehen, denn das ›erneuerte‹ Regime ist für alle Bündnispartner attraktiv.

Mittwoch, 24. August 2016

Die neuen Stützen des AKP-Regimes

Warum gängige Lesarten des Putschversuches in der Türkei von links hinterfragt werden müssen. Standpunkte 23/2016 der Rosa Luxemburg Stiftung
Der Putschversuch vom 15. Juli 2016 und dessen Auswirkungen auf die türkische Politik haben eine Welle von Kommentaren ausgelöst, deren Wucht einen klaren Blick auf die Ereignisse verstellt. Viele Analysen und Kommentare – auch von Linken –, die vor Wunschdenken, Klischees und realitätsfernen Wahrnehmungen geradezu strotzen, werden der komplexen Lage in der Türkei nicht gerecht und tragen wenig zur Aufklärung bei. Mit den falschen Fährten, die von der interessegeleiteten Berichterstattung bürgerlicher Medien gelegt werden, wird es für die Öffentlichkeit immer schwieriger, die Hintergründe der aktuellen Entwicklungen in der Türkei nachzuvollziehen.

Sonntag, 7. August 2016

Die Türkei nach dem Putschversuch

Wenn aus dem gescheiterten Putschversuch am 15. Juli 2016 in der Türkei eine erste Lehre gezogen werden sollte, dann kann es nur die Tatsache sein, dass der »Qualitätsjournalismus« bürgerlicher Medien völlig ungeeignet ist, die eigentlichen Hintergründe von politischen Entwicklungen im eigenen Land und in der Welt zu durchleuchten. Wer z.B. in der BRD die aktuelle Entwicklung in der Türkei nur über die Berichterstattung der bürgerlichen Medien verfolgt, kann sich dem Eindruck nicht erwehren, dass Erdoğan fester denn je im Sattel sitzt, die Türkei sich vom Westen abwendet, das AKP-Regime alles unter die Kontrolle des »Palastes« gebracht hat und natürlich nahezu alle türkeistämmigen Migrant*innen in der BRD Erdoğan unterstützen. Entspricht das alles wirklich der Realität?

Sonntag, 17. Juli 2016

Der Putschversuch: »Dilettantisch« oder »für Erdoğan«?

Erklärungsversuch einer verwirrenden Nacht in der Türkei
Die Nacht vom 15. Juli auf den 16. Juli 2016 in der Türkei war außergewöhnlich, verwirrend und erschreckend. Ein sog. »Rat für Frieden in der Heimat« (Yurtta Sulh Konseyi) einiger Putschistengeneräle war dafür verantwortlich. Ihr Putschversuch, dem über 260 Menschen zum Opfer fielen, scheiterte und wirft Fragen auf, die nicht einfach und nur mit einer Sicht alleine auf die Türkei zu beantworten sind.

Mittwoch, 6. Juli 2016

Erdoğans neue Türkei

In reaktionärer Kontinuität auf dem Weg zur Diktatur
Als Merkel im April 2016 mit dem EU-Ratspräsidenten Tusk ein Flüchtlingslager in der Türkei besuchte, lobte sie die »Anstrengungen der Türkei«. Tusk war euphorischer: Die Türkei sei, »heute das beste Beispiel für die Welt insgesamt, wie wir mit Flüchtlingen umgehen sollten«[1] – trotz des Wissens, dass Flüchtlinge in der Türkei keinen adäquaten Aufenthaltsstatus erhalten und keinen gesicherten Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung und Sozialleistungen haben. Für die Herrschenden in der EU ist diese Realität unerheblich und wird ignoriert. Diese Ignoranz hat ihre Gründe und sie finden sich in der Militarisierung der EU-Außenpolitik und dem Primat der Wahrung geostrategischer und wirtschaftlicher Interessen.

Donnerstag, 19. Mai 2016

Die Metamorphose des kemalistischen Laizismus

Über die herrschaftssichernde Laizismus-Debatte in der Türkei
Es war kein Geringerer als der Parlamentspräsident Ismail Kahraman, der mit seinem Vorschlag, »den Laizismus aus der Verfassung zu streichen und den Bezug zu Allah zu verankern« den Paukenschlag setzte. Immerhin ist Kahraman eines der AKP-Schwergewichte, den Erdogan sogar ehrenvoll »älterer Bruder« nennt. Kahraman gehört seit seiner Jugend dem politischen Islam an und war einer der Führer der antikommunistisch-faschistischen Studentenorganisation »Milli Türk Talebe Birligi MTTB« (Nationaler Türkische Studentenunion), die während der 68’er Studentenaufstände mit Morden an linken Studenten auf sich aufmerksam machte. Heute ist bekannt, dass diese Organisation mit CIA-Unterstützung gegründet wurde. Viele der heutigen AKP-Abgeordneten waren ehemalige MTTB-Mitglieder. Insofern hat die türkische Öffentlichkeit Kahramans Vorschlag als einen offiziellen AKP-Vorstoß verstanden und der Aufschrei war dementsprechend groß. Kemalisten und andere, oppositionelle Nationalisten fühlten sich bestätigt: Die Islamisten waren dabei, die Grundpfeiler der modernen Republik endgültig abzureißen.

Mittwoch, 11. Mai 2016

Die »getürkte« Kandidatur

Über den Flüchtlingspakt mit dem EU-Beitrittskandidaten Türkei
Ende April besuchten Bundeskanzlerin Angela Merkel und der EU-Ratspräsident Donald Tusk ein Flüchtlingslager nahe der türkisch-syrischen Grenze. Was Merkel und Tusk bei diesem Besuch sagten, mag vielleicht den diplomatischen Gepflogenheiten geschuldet sein, aber ob sie den Wahrheiten entsprechen, ist sehr zweifelhaft. Während Merkel »die Anstrengungen der Türkei in der Flüchtlingskrise« in hohen Tönen lobte und sich für »den allergrößten Beitrag bei der Bewältigung der Krise« bedankte, würdigte Tusk »die Leistungen der türkischen Regierung«. Die Türkei sei »heute das beste Beispiel für die Welt insgesamt, wie wir mit Flüchtlingen umgehen sollten«. Und keiner habe daher »das Recht, belehrend auf die  Türkei einzuwirken, wenn es darum geht, wie man sich richtig verhält«. Schützenhilfe erhielten sie einen Tag später vom Bundespräsidenten Joachim Gauck: es müsse »auch die Tatsache betrachtet werden, dass Millionen von Flüchtlingen in diesem Land ein sicheres Leben gefunden haben«.

Montag, 2. Mai 2016

Das HDK-Europa Projekt: Exilvertretung oder basisdemokratische Bündnisse?

Über die Bemühungen türkeistämmige und kurdische Organisationen unter einem Kongressdach zusammenzubringen, Murat Çakır
Seit Jahrzehnten versuchen Vereine und Verbände von linken, sozialistischen und kommunistischen Migrant*innen aus der Türkei und Kurdistan in Europa themenbezogene Bündnisse aufzubauen. Es sind i. d. R. aktuelle Entwicklungen in der Türkei und in Kurdistan, die zu solchen, meist befristeten Bündnissen und gemeinsamen Aktionen führen. Für die beteiligten Organisationen haben diese Aktionsbündnisse Vorteile in doppelter Hinsicht: Zum einen werden durch konkrete gemeinsame Aktivitäten die Kommunikation zwischen den Verbänden verbessert und das gegenseitige Vertrauen ausgebaut. Zum anderen führen die massenhaften Aktionen und gemeinsam formulierte Forderungen zu einer breiteren öffentlichen Wahrnehmung und ziehen die Aufmerksamkeit der Medien, politischen Parteien, Parlamenten und Regierungen auf diese Forderungen. Dennoch kann bilanziert konstatiert werden, dass weder eine nachhaltige öffentliche Wahrnehmung, noch ein nachhaltiger Einfluss auf politische Entscheidungsmechanismen erreicht werden konnte. Das hat verschiedene Gründe.

Freitag, 12. Februar 2016

Angewiesen auf Zusammenarbeit mit Despoten?

Über die Türkeipolitik der EU und die Rolle der BRD
Just in den Tagen, in denen vor den Augen der Weltöffentlichkeit kurdische Ortschaften vom türkischen Militär und Spezialeinheiten der Polizei umlagert, dem Erdboden gleichgemacht, Zivilisten – vor allem Kinder und Frauen auf offener Straße hingerichtet wurden und der schmutzige Krieg der Herrschenden in der Türkei eine neue Eskalationsstufe erreichte, fanden in Berlin und Brüssel zwei wichtige Ereignisse statt.